Ist der Windows Server das neue Netware?

Mitte der 90er Jahre war Novell Netware das führende Betriebssystem, wenn es um File und Printservices ging. Novell verdiente prächtig an Netware aber verpasste die Möglichkeit Netware zum Applikationsserver zu erweitern. Datenbanken und ERP Systeme liefen seinerzeit auf kommerziellen Unix Systemen wie Solaris, AIX oder HP/UX, diese waren jedoch sehr teuer und vergleichsweise kompliziert zu managen. Diese Lücke nutze Microsoft und schuf mit Windows NT Server eine Plattform mit der man File und Print Services sowie Anwendungen für kleine und Mittelständige Unternehmen bereitstellen konnte. Windows NT Server bot vielen Kunden damit erstmals die Möglichkeit nahezu 100% seiner Dienste auf Clients und Servern mit einem sehr ähnlichen Betriebssystem zu betreiben. Die Niedergang von Netware verlief rasant und binnen 5 Jahren hatte sich die installierte Basis nahezu halbiert. Novell fristet, gemessen an der damaligen Größe, heute ein Schattendasein und wurde nach vielen Verkäufen weitestgehend zerschlagen. Microsoft wuchs dagegen grade im Server Umfeld sehr stark und schaffte mit Windows Server 2008 den Sprung in die Rechenzentren größerer Unternehmen. Im Bereich des High Performance Computing spielt Windows Server bislang auch im aktuellen Release keine Rolle.

Warum geht das Wachstum nicht weiter? 

Die weitestgehende Gleichheit des Windows Kerns auf dem Client (die Dominanz ist hier ungebrochen) und dem Server wird seit einiger Zeit zu einem immer größeren Problem für Microsoft. Die Server und die Clients teilen das Schicksal einer großen Monokultur, denn genau wie jene in der Landwirtschaft sind auch die Monokulturen der IT Welt ein leichtes Ziel für Schädlinge aller Art. Für Programmierer von Schadsoftware stellt Windows ein gradezu ideales Ziel dar. Jede noch so kleine Lücke im System wird sofort für Angriffe genutzt, der hier angebotene Honigtopf ist einfach zu groß als das dieser ignoriert werden könnte. Was die Sicherheitsmechanismen angeht, die Microsoft eingebaut hat und ständig erweitert, so ist Windows 10 und Windows Server 2012 heute sicherlich eines der fortschrittlichsten Systeme unserer Zeit, aber genau diese Mechanismen sind es auch die die Software anderer Hersteller und auch Software von Microsoft selbst ins Stocken geraten lassen. Nach dem Einspielen eines Fixpacks funktionieren aufgrund geänderter Sicherheitsmechanismen Datenbanken einfach nicht mehr oder laufen mit unterirdischer Performance. Virenscanner bremsen den Server der mit vielen Daten umgehen muss dermaßen, dass sich selbst in kleinen Unternehmen die Beschwerden der Anwender häufen. Die komplette Verschlüsselung der Daten durch Ransomware ist an dieser Stelle natürlich das aktuellste Beispiel für die Gefahren einer Monokultur. Andere Nachteile neben dem hohen Preis sind sicherlich die eingeschränkte Anzahl von Fernverwaltungssitzungen in den Grundversionen, warum man sich nicht mit dem selben User in einer neuen Session anmelden kann ohne den aktuell angemeldeten User oder Admin aus seiner Session zu werfen ist schwer zu verstehen. Ist man dann endlich via RDP im System angemeldet erwartet einen der Windows Server 2012 Desktop, welcher via RDP im Grunde unbedienbar ist (am Ende geht es irgendwie aber es ist ein einziger Krampf). Will man dann Software installieren, obwohl man schon Administrator ist, muss man dies nochmals explizit bestätigen (als Administrator ausführen), vergisst man diesen Schritt kann dies in einer unbenutzbaren Anwendung enden, welche sich unter umständen schlecht deinstallieren lässt. Das Größte Problem sind allerdings die Kosten, denn gegenüber Linux sind diese Exorbitant. Während Linux zunächst kostenfrei ist und nur für Service und Support Kosten entstehen, kostet Windows Server immer Geld und diese Kosten beinhalten zunächst keine Hotline beim Hersteller. Im Internet Provider Umfeld spielt Windows aus diesem Grund praktisch keine Rolle, Linux ist hier in allen Belangen überlegen, da es skalierbarer, günstiger und besser zu verwalten ist.  

Quasi Standards

In der Vergangenheit konnte Microsoft seine eigenen Technologien entwickeln und aufgrund seiner Marktmacht quasi über Nacht zum Standard machen. Dies resultierte in Browseranwendungen welche bspw. nur im Internet Explorer funktionierten, was natürlich das Gegenteil von dem ist was mit einer Browseranwendung erreicht werden soll. Active X ist somit ein Beispiel dafür was passiert, wenn man andere Browser einfach ausschließen oder ignorieren möchte. Allerdings laufen die Uhren seit der Erfindung von iPhone, iPad und Android Smartphones etwas anders, denn hier setzte man ausschließlich auf offene Standards (sei es um den Akku zu schonen: Flash / oder um die Systeme sicherer zu halten: Java). Anwendungen welche auf Active X setzen waren in diesem wichtigen Umfeld praktisch sofort außen vor. Die Anstrengungen die Microsoft unternahm, um im Smartphone Markt Fuß zu fassen, können als gescheitert bezeichnet werden. Das Umdenken in Richtung Javascript und HTML5 kam so spät, dass die meisten Anwender inzwischen bevorzugt Firefox oder Chrome als Browser verwenden. Der neue Edge Browser kommt nicht wirklich in Schwung, es bleibt abzuwarten wie er sich entwickelt.

Microsoft öffnet sich

Inzwischen bewegt sich alles in Richtung Cloud und Mobile Computing, aus diesem Grund lenkt auch Microsoft inzwischen ein und unterstützt vermehrt offene Standards bei der Entwicklung eigener Anwendungen und Lösungen. Die Motivation könnten hier Gerichtsurteile oder auch schlicht die Kosten sein, denn es ist deutlich einfacher etwas fertiges (Opensource) zu nehmen und weiterzuentwickeln als das Rad immer wieder selbst zu erfinden. Die Virtualisierung ist hier ein gutes Beispiel, Virtual PC von Connectix wurde 2009 von Microsoft übernommen, um ein Gegengewicht zu VM-Ware zu etablieren. Nachdem Hyper V inzwischen im Markt angekommen ist (Marktanteil 2014 ca. 10%) kann man allerdings nicht behaupten das Hyper V eine Erfolgsgeschichte ist. Vielmehr reichte Hyper V nie an die Funktionsvielfalt von VM-Ware heran und konnte die Kunden nichtmal begeistern, als es praktisch verschenkt wurde. Betrachtet man die Anstrengungen die Microsoft unternimmt, um Docker auf Windows zu portieren so scheinen die Tage von Hyper V gezählt.

Ein wahrer Paukenschlag war die Meldung, dass Microsoft in Zukunft den SQL Server für Linux anbieten würde, aber warum machen sie das? Der offizielle Grund ist natürlich sich damit neue Kunden erschließen zu können, welche im Moment noch auf DB2 oder Oracle setzen. Es könnte aber auch sein das die SQL Server Entwicklung nicht zu DB2 und Oracle aufschließen kann, weil die Datenbank durch das Betriebssystem nicht die Möglichkeit hat so zu skalieren wie es notwendig ist, um die Datenmengen welche im Big Data Umfeld anfallen handlen zu können. Zudem sind Big Data Umgebungen heute ohne Linux und OpenSource Anwendungen (Hadoop, Spark, Mongo DB ...) nicht denkbar, aus Kundensicht ist es somit naheliegend seine Datenbank ebenfalls auf Linux zu betreiben. Wenn man bedenkt das Linux und Opensouce vor garnicht allzu langer Zeit von Steve Ballmer noch als "Krebsgeschwür" bezeichnet wurde ist dies ein erstaunlicher Schritt. Steve Ballmer managed inzwischen eine Basketball Mannschaft, für Microsoft ist das mit Sicherheit besser so.